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Posttraumatischer Stress im Arztberuf

Trauma als Erleben außergewöhnlicher Bedrohung

Im Laufe des Lebens erfährt jeder Mensch Ereignisse, die einschneidend sein können; es trennt sich der Partner oder die Partnerin, man verliert seinen Arbeitsplatz oder fällt durch eine wichtige Prüfung. Trotz der auftretenden akuten Belastung, können wir solche kritischen Lebensereignisse nach einiger Zeit meist recht gut und eigenständig bewältigen.

Es gibt jedoch auch Ereignisse, welche bei nahezu jeder Person Angst oder tiefe Verzweiflung auslösen und die Bewältigungsmöglichkeiten einer Person übersteigen können. Solche traumatischen Ereignisse (Trauma = griech. für „Wunde“, „Verletzung“) beinhalten meist eine Form von außergewöhnlicher Bedrohung für sich selbst oder eine andere Person (Dilling et al. 2015). Auch die wiederholte Konfrontation mit aversiven Details traumatischer Ereignisse kann traumatisierend sein (Falkal & Wittchen, 2018), z.B. wenn eine Person in der Notfallhilfe tätig und ständig lebensbedrohlichen Verletzungen ausgesetzt ist. Oft geht ein Trauma mit extremer Angst, Hilflosigkeit und einem Verlust der Kontrolle einher. Das kann auch nach dem Ereignis andauern und zur Entwicklung einer Traumafolgestörung führen. Es können z.B. eine Depression, eine Angststörung, Alkohol- oder Drogenmissbrauch, eine Essstörung oder psychosomatische Beschwerden, wie Kopf- und Magenschmerzen, entstehen. Manche Personen leiden nach einem Trauma an einer so hohen Anspannung, dass sie sich selbst verletzen, um sich Erleichterung zu verschaffen, z.B. indem sie sich Schnittwunden zufügen oder Haare ausreißen. Eine schwerwiegende und häufige Form der Traumafolgestörung ist die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), welche charakterisiert ist durch sich aufdrängende, belastende Erinnerungen an das Ereignis, Albträume, Vermeidungsverhalten, negative Veränderungen der Kognition und Stimmung sowie Übererregtheit über einen Zeitraum von mindestens einem Monat.

Tabelle 1 Diagnostische Kriterien der PTBS nach DSM-5 (Falkai und Wittchen 2015)

A.

Direkte oder indirekte Konfrontation mit tatsächlichem oder drohendem Tod, ernsthafter Verletzung oder sexueller Gewalt. Dazu gehört auch die wiederholte Konfrontation mit aversiven Details eines traumatischen Ereignisses (z.B. Notfallhelfer, die Leichenteile einsammeln).

B.

Eines oder mehrere Intrusionssymptome, die mit dem Trauma assoziiert sind, z.B. wiederkehrende belastende Erinnerungen oder Träume, dissoziative Symptome (z.B. Flashbacks).

C.

Anhaltende Vermeidung von Reizen, die mit dem traumatischen Ereignis verbunden sind, z.B. Gedanken, Personen, Aktivitäten.

D.

Negative Veränderungen der Kognitionen und der Stimmung nach dem traumatischen Ereignis, z.B. negative Überzeugungen (z.B. „Ich bin schlecht“, „Man kann niemandem trauen“), persistierende negative Emotionen (z.B. Angst, Wut, Schuld, Scham).

E.

Anhaltende Symptome erhöhten Erregungsniveaus und übersteigerter Reaktionen, z.B. Wutausbrüche, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen.

F.

Das Störungsbild (Kriterien B, C, D und E) dauert länger als ein Monat.

G.

Das Störungsbild verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

H.

Das Störungsbild ist nicht auf physiologische Effekte von Substanzen (z.B. Medikamente, Alkohol) oder eine andere körperliche Erkrankung zurückzuführen.

Solche Symptome sind kein Zeichen dafür, dass die betroffene Person schwach oder „verrückt“ ist, sondern es handelt sich um eine verständliche Reaktion auf ein außergewöhnliches Ereignis. Auch Personen, die nicht das Vollbild einer PTBS ausbilden, können durch posttraumatischen Stress sehr belastet sein.

Posttraumatischer Stress im Arztberuf

Als Arzt oder Ärztin sind Sie im Berufsalltag einer Vielzahl von belastenden Situationen ausgesetzt, z.B. durch die regelmäßige Konfrontation mit Schmerz, Leid, Krankheit oder Tod (Thompson et al. 2017). Sie tragen eine große Verantwortung im Hinblick auf das Wohl Ihrer Patientinnen und Patienten und kleine Fehlentscheidungen können manchmal schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Zudem bleibt nach belastenden Situationen aufgrund des hohen Arbeitspensums oft wenig Zeit zur Regeneration und Verarbeitung. Das Risiko des Erlebens traumatischer Ereignisse und der Entwicklung einer PTBS ist somit bei Ärztinnen und Ärzten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht (Sendler et al. 2016).

Traumafolgestörungen sind therapierbar

Was passiert ist, kann niemand rückgängig machen. Doch die Konsequenzen, die das Trauma für Sie und Ihren Alltag hat, sind beeinflussbar. Eine ambulante Psychotherapie ist z.B. eine wirksame Methode, um posttraumatische Stresssymptome zu reduzieren (Benish, Imel & Wampuld). Oft sind diese jedoch mit langen Wartezeiten verbunden oder lassen sich nur schwer in den Berufsalltag integrieren. Eine Internettherapie bietet eine niedrigschwellige Alternative der Intervention bei posttraumatischem Stress. Falls Sie Interesse haben, eine internetbasierte Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, finden Sie hier weitere Informationen.

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